Wie ging uns diese Stimme nahe! „White Room“ oder „Tales from brave Ulysess“ von der Cream- Live-Lp. Dieses funkelnde Material, dieser Zauberstoff! Man lebte damit, es war fast, als drücke es einen selbst aus. Die dunklen abwärtsdräuenden Akkorde mit dieser Jack-Bruce-Stimme tätowierten sich einem ein. Überall: ins Gedächtnis, ins Gefühl und ins Gemüt. Und dann „Theme from an imaginary Western“: wie oft ging einem das durch den Kopf. Es war einer seiner unbestritten stärksten Songs. Pete Brown hatte die Lyrics dazu geschrieben. „When the wagons leave the City, for the Forrest and further on...“. Das alte romantische Wort „Sehnsucht“ und der Pioniergeist der US-Auswanderer des neunzehnten Jahrhunderts gingen da zusammen. Wie er das mit seiner Stimme gestaltete und ausformte! Das war groß. Vor etwas mehr als zwei Jahren, bei seinem Auftritt beim Zeltspektakel in Winterbach, da sang Jack Bruce auch diesen Song. Seine Ehefrau hatte Geburtstag und er war in Hochform. Mit ihr zusammen hatte er ja lange Zeit in Nellingen bei Esslingen gelebt. In seiner Band hatte eingangs ein guter, ja ein starker Bassist gespielt und es wurde einem angst und bange, wie er selbst wohl danach aussehen würde. Wow, und dann zeigte er, was ein großer und toller Bassist ist. Er spielte nicht nur präzise. Das sowieso. Er war jederzeit in der Lage, auf die Ideen seiner Mitspieler einzugehen. Er spielte wunderbare flexible Linien auf seinem Bass, der diesen grummelnden, ganz leicht verzerrten Ton hatte. Er war frei, nahm etwas Jazz mit und spielte gleichzeitig vom Blues und Rock kommende Strukturen. Er zeigte sich als ein Weiser dieses Instruments. Und nun ist Jack Bruce tot. Wie das? Er war ja immer da, hatte tolle Sachen aufgenommen und seine Stimme war stets ein Faszinosum gewesen.
Faszinosum? Solch ein Wort geht uns normalerweise nicht so leicht von den Lippen. Aber bei ihm stimmte es. Es war einfach nicht bis zuletzt zu erklären, worauf die Strahlkraft dieser Stimme beruhte. Es zog einen immer wieder an. Der Mann hatte selbstverständlich auch eine blühende musikalische Phantasie. Er führte natürlich Jazz und Rock zusammen. Das behauptet sich heutzutage so leicht. Damals war das ein Wagnis.
Damals, in den Siebzigern, als seine Phase mit der „Supergruppe“ Cream zu Ende gewesen war und er zu sich selbst zurück kam. Er spielte unter anderem mit Dick Heckstall-Smit und mit Jon Hiseman, mit Clem Clempson, Gary Moore und mit John Mayall, aber auch mit John McLaughlin, Tony Williams und Carla Bley: all diese großen Helden der Vergangenheit. Wo sind sie? Er war immer am Ball, auch nachdem er von Nellingen aus wieder Richtung England umgezogen war. Alle wollten noch einmal mit ihm zusammen spielen, was sich unter anderem auf seiner 2014 erschienenen CD „Silver Rails“ dokumentiert. Aber er ging auch noch einmal mit Cream, mit Eric Clapton und Ginger Baker 2005 auf die Bühne. Man musste damals Angst um ihn haben. Er war ja so wacklig. Wir dachten kurz daran, was wohl wäre, wenn wir ihn nicht mehr hätten. Aber bei all dem schlechten Zustand: man zerschlug diese Gedanken wieder. Er war ja nicht so alt. Er ist mit 71 gestorben.
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