Ein Prinzip der Musikindustrie ist (oder vielmehr: war) es, ständig eine neue Sau durchs Dorf treiben zu müssen, um Neuigkeiten und letztenendes Umsatz zu generieren und die Popmusik als ein stetig sich selbst erneuerndes und dem Fortschritt verpflichtetes Genre vorzustellen. Damit verbunden ist ein gewisser Jugendkult: was jung und unerfahren ist, ist gut. Ältere Popmusiker sind entweder alte schlappe Säcke, die nichts mehr von „Relevanz“ von sich geben - oder sie sind von vornherein heilig gesprochen, egal, was sie absondern, wie etwa Neil Young, Nick Cave oder Björk. Mein Ideal wäre, von solchen Klischees weg zu kommen und unter den bekannteren Künstlern Musiker wie etwa Joe Jackson, Richard Thompson oder Elvis Costello (um nur drei zu nennen!) etwas genauer wahrzunehmen. Auch diese drei älteren Kämpen sind nahe daran, von der „Szene“ (oder dem, was davon übrig ist) heilig gesprochen zu werden. Aber auch ganz und gar unhippen alten Säcken wie Eric Clapton, Chicago oder Led Zeppelin würde es lohnen, mal wieder genauerer zuzuhören. Sich die Zeit zu nehmen, sich in so etwas hineinzuversetzen, dürfte der Anfang vom Luxushören und spielerischem Hören sein, - und nicht unbedingt die kostenlos herbei geschickte Pressekopie der allerneuesten Scheibe vom „Hoppla-jetzt-komm-ich“-Künstler! Insofern wären auch nicht die ach so kundigen Journalisten mit ihren kulturfeuilletonistisch begründeten Vorurteilen (die auch meist als Ausweis der Zugehörigkeit zur Peer-Group der „Wissenden“ durchgehen) bevorteilt, sondern die sensibel sich einlassenden Zuhörer, die Neugierigen und Genießer. Sie könnten neue Perspektiven eröffnen, - freilich nicht einer Plattenindustrie, die nur noch auf Masse, statt auf Klasse zu setzen scheint. Der einschlägige Industriezweig scheint mir auch an dieser Stelle sein eigenes Grab zu schaufeln, indem er auf eine Zielgruppe setzt, der Musik meist egal ist und die sie als kurzfristig eingesetzte und auch schnell wieder vergessene Stimulanz, als gefällige akustische Tapete ohne Identität gebraucht. Massenware. Auch könnte ein liebevoll hergestelltes Album mit bewusst gestalteten Texten, seinen zahlreichen grafischen Merkmalen und gewissen Gimmicks eine Art Alleinstellungsmerkmal bedeuten, das ja in der Verkaufsindustrie gerne gesehen und teilweise für viel Geld aufgebaut wird. Auch hier macht die Industrie den schnellen „Produkt“-Wechsel vor, wobei Popmusik nicht nur für Kenner durchaus noch etwas anderes sein könnte.
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