Durch Improvisation über sich selbst hinaus kommen? Das Bewusstsein erweitern? Progressiv sein? Fortschrittlich? Fortschreiten zu fernen Ufern? Und gleichzeitig darin auch noch schön sein? Schönheit im Ausdruck als Instrument der Befreiung. Ob freies Spiel überhaupt möglich ist? Vollkommen frei sein? Auch gesellschaftlich? Durch überragende technische Möglichkeiten augenblickliche Ideen und Einfälle in ein Fingerzucken, in feingliedrige Motorik verwandeln? Das Feierliche feiern. Kann das jedermann? Oder ist's nur Genies möglich? Typische Themen der späten Sechziger und frühen Siebziger des vorigen Jahrhunderts, als Keith Jarrett groß wurde und der Fortschritt noch etwas Erstrebenswertes war, an das alle glaubten. Ein Großmeister der Jazzimprovisation. Jazz? Der Mann hat ja auch auf der Orgel an Bach'schen Goldberg-Variationen herumimprovisiert und dies in dicken Tonkonserven auf den Markt geworfen. Markt? Solch ein profanes Wort im Zusammenhang mit Keith Jarrett? Jawohl, er hat ja einige der im Jazz meistverkauften Schallplatten-Kassetten wie zum Beispiel „Köln Concerts“ und „Bremen Lausanne“ auf diesen Markt gebracht, fabelhaft gestaltete Doppel- und Dreifachalben, - drunter tat er's damals nicht. Gut Ding will Weile haben, - und LP-Seiten hatten um die 20 Minuten Spielzeit, vielleicht auch mal 25 oder noch einen Tick mehr. Dann war aber Schluss. Dann hatte die Improvisation ein Ende und man musste umdrehen. Ach, wie er in die Tasten der kleinen Farfisa-Orgel gedrückt hatte, damals in der Band von Miles Davis! Und Joe Zawinul war auch dabei. Welch eine Keyboardabteilung!! Zuweilen taten auch Chick und Herbie damals mit. All das, was später mit dem Etikett „Fusion“ in Verruf geraten sollte, war damals noch am Anfang, war ein Abenteuer und ziemlich aufregend. Jazz und Rock. Wie treibend Al Foster damals den Beat über dem Ostinato-Bass einbrachte! Eine unwiderstehliche Maschine. Unglaublich! Und die Trompete tanzte silbern darüber....wie auf einem anderen Stern!stJarrett wurde ja später zum grauhaarigen Priester einer alternativen Kaste der besserverdienenden Geschmäckler, er wurde von tausend Erschöpfungszuständen befallen und zelebriert inzwischen das Hochamt seiner gar so empfindlichen Empfindsamkeiten nur noch selten live. Er kann sich dann überwinden. Sich selbst besiegen. Triumph des kreativen Willens. Ganz alleine, aus sich selbst heraus. In exklusivem Ambiente, für Eintrittspreise, die solide im dreistelligen Eurobereich liegen müssen. Er ist schließlich ein Siebziger. Er spult, wie es heißt, keine Keith Jarrett-Routinen ab, wenn er spielt. Nie. Hat er noch nie getan. Er schöpft aus der Luft. Er ist ein Schöpfer. Kreativ. Ein Luftgeist. Er improvisiert. Er bricht sein Konzert auch mal ab. Das ist bekannt. Mittendrin scheint er dann am Ende zu sein. Überraschend natürlich. Der Schwabe rechnet dann sofort: Ob sich's gelohnt hat? Das viele Geld! Oh gemeiner Mensch, du Wurm! Meist kommt der Künstler dann aber doch wieder. „Einer geht noch!“. Oder auch zwei. Bloß nicht räuspern! Oder gar husten! Das unterbricht den Fluss seiner unvergleichlichen Ideen. Darauf reagiert er empfindlich und hört dann auf. Ende.
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