Ich gehe mal wieder an meinen CDs entlang und lasse mich in die Alben von Randy Newman hineintreiben. Toll, was ich da habe! Einen Schatz! Der letzte Auftritt, den ich von ihm erleben durfte, er geht mir immer noch nach. Ich hatte etwas davon. Sehr viel sogar. Unter anderem ein Bewusstsein davon, zu was Songlyrik fähig sein kann, interpretiert nur von einer Stimme und einem Piano. Er nahm mich mit. Ich glaubte mal wieder, zu seinen Sachen eine besondere Verbindung zu haben. Über seine großen Hits ging er, - natürlich -. großzügig hinweg, spielte aber beispielsweise „You can leave your Hat on“ trotzdem an und lobte die Version von Joe Cocker. Davon waren dann die vielen grünen Bürgermeister und die mildgesichtigen Gutmenschen im Publikum erstmal schockiert. Dann freilich sangen sie begeistert „I'm dead but I don't know it“ mit und klatschten dazu in die Hände. Ich schrieb damals in meiner Konzertkritik: „Es herrscht die Atmosphäre eines Kulturgottesdienstes mit grauhaarigem Oberpriester im Hegelsaal. Völlig unprätentiös wackelt er in einem dunklen Anzug zum Piano, Starallüren waren ihm immer schon fremd. Alles in allem hat er um die 50 Jahre Karriere im Popgeschäft hinter sich und dabei immer eine eigene Nische besetzt. Manche seiner Zeitgenossen sind gestorben, manche im Drogensumpf untergegangen. Er ist vergleichsweise gut durchgekommen und macht sich jetzt im Song „I'm dead but I don't know it“ über gealterte Rockstars lustig, die nicht aufhören können. Er singt „I'm dead but I don't know it“ und das Publikum singt „He's dead, he's dead“. Ob ihm da der Schalk ganz besonders im Nacken sitzt? Sein Spott überschlägt sich da ja und gerät zu einer Haltung des mitsingenden Einübens. Für jedermann im Saal. Kurz mal. Seine Songs sind ja oft wie kurze Zwischenbemerkungen, kaum einer ist mehr als 3 Minuten lang. Zu Werken ohne diese süffisante Beiläufigkeit in vordergündig ungebrochener Art wurden sie oft erst durch die Interpretation anderer Rockmusiker, wie etwa „Sail away“ oder „You can leave your hat on“ in der Fassung von Joe Cocker. Was ursprünglich als Reise ins vermeintlich gelobte Land per Sklavenschiff gemeint war, geriet bei Cocker zur erschreckend platten Werbung für eine Biermarke. Oder das bekannte „You can leave your Hat on“, aus der Sicht von sexuell Andersorientierten geschrieben: die Feinfühligkeit ging da natürlich zugunsten einer anbiedernden Stripteaseanmache verloren“. Ach ja, wie toll! Diese melancholische Doppelbödigkeit! Dieses Spiel mit Bedeutungen und eingeübten Reflexen! Dieser wunderbare Sarkasmus, der sich nicht bloß selbst gefällt, sondern immer auch etwas Trauriges hat! Dieses Spiel mit den in verschiedenen Kreisen so populären musikalischen Formen! Diese spöttisch höhnisch schnarrende Stimme! Die natürlich so gut wie alles kann, was sie braucht, darüber aber keinerlei Aufhebens macht. Und dann der Schock, die große Irritation: „Feels like Home“. Ein rührendes Liebeslied. Das er bei seiner Ansage in beisenden Spott verpackt. Ein einfaches Lied. Alterweise grinsend: „Da ist etwas in deinen Augen, das mich mich selbst vergessen lässt...“. Das ist fast buddhistisch. Das eigene Ego langsam vergessen zugunsten einer vielleicht höheren Ebene des Miteinander. Solche Sprüche hat man oft gehört. Bei Randy Newman klangen sie jedoch anders. Irritierend, nicht in das Klischee das Spötters passend – und dann doch wieder. Denn er liebte immer schon die geistige Verunsicherung, das Betrachten von einem neuen Standpunkt, das Rollenspiel, das auch mal sehr weit gehen kann, den scheinbar gelassenen Spott von der Seitenauslinie, der auch mal ganz direkt uns geradezu sentimental anfallen kann. Weiß man's? Das ist es unter anderem: er fordert dauernd die Auseinandersetzung, anders kann man ihm nicht folgen, es sei denn, man klatscht die großen Randy-Newman-Gassenhauer nach.
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