Der Faktor „Zeit“ in der Popmusik? Fußt unter anderem darauf, dass heute kein "Act" mehr die Zeit hat, sich über einen längeren Zeitraum zu entwickeln. Was "aktuell" angesagt ist, scheint morgen schon verstaubt. Weg damit! Ein Album, höchstens zwei (wer legt eigentlich die zeitlichen Zyklen fest?), mehr Zeit gibt es nicht. In dieser gegebenen Zeit muss sich ein „Act“ durchsetzen, mit allem, was verfügbar ist. Tut er das nicht, kann er weg. Die großen Alten der Popmusik, die jetzt der Reihe nach aussterben, hatten in einer Periode operiert, in der sie noch ausprobieren konnten, suchen, verwirklichen, nachspüren, sich umbesetzen, einbeziehen, ausschließen, ihre Stärken entwickeln, ihre Schwächen kaschieren und auszumerzen versuchen. Sie konnten behutsam damit anfangen, sich in die Rolle des auch live angehimmelten Popstars einzufinden.
Wir leben nun aber in einem Zeitalter der zunehmenden Beschleunigung, in dem bestimmte Sterne kurz aufglühen, um danach gleich wieder zu vergehen. Gleichzeitig scheinen Medienmechanismen immer wichtiger geworden zu sein: das It-Girl, das nicht nur gut aussieht, sondern unter großem technologischen Einsatz auch singt. Der offensiv-kantige Typ, der sich gut verkauft. Einer, der auch boxen kann, Alphatier ist, gut bestallt, dominant, wendig und windig. Führer? Anführer? Menschenführer? So etwas will in den Medien um jeden Preis vorkommen, auch mit einer mitgelieferten offensichtlichen Marotte, die ihm Profil und Wiedererkennbarkeit verschaffen soll. Immer vorne dran sein, an der Spitze der Entwicklung, stets aktuell auf der Höhe der Zeit, - und sei sie auch noch so flüchtig. Der Image gewordene Superlativ, der schnelle Rollenwechsel, das hochgelobte und andauernde „Sich neu Erfinden“: Alles Mittel zum Zweck, des berühmt Werdens und Herausragens um jeden Preis. Es gilt die Prominenz. Alles schön bunt. Champion sein, Sieger. Erster im Ranking. Möglichst viele Klicks, kurze Kicks oder "Likes" haben. Das scheinbar Mäßige und das verstehende Maßvolle, das Suchende, Abwägende, Ausgleichende und Ausgeglichene hat keine Chance mehr. Das Bedächtige schon gar nicht. Die Medien, die sehr viel vielgestaltiger geworden sind, wollen und brauchen den hektischen Superlativ als „Aufhänger“. Das scheinbar Abseitige. Extreme. Das sich abhebt. Gerne wird auch das Etikett „Ehrlich“ verkauft, was oft jene „Authentizität“ meint, die die Vielen im Publikum gerne hätten und die sie ein Leben lang nicht ausleben dürfen. Dann verkleidet man sich halt, "enhanced" sich, betont, beeinflusst, manipuliert, verschweigt, schlüpft in Rollen. Und behauptet dann, "ganz bei sich" zu sein. Man profiliert sich über kurzfristige Sinnzuweisungen, man hat nicht nur einen Hit, sondern man ist der Hit. Der permanente Knaller, das personifizierte Grinsen, das aufgesetzte Lächeln der falschen Freundlichkeit. Aber nur kurz. Am besten gleichzeitig alles. Die Abgelegten, Ausrangierten, gealterten Alten und weniger "Erfolgreichen" bekommen dann in Shows der amüsanten Eitelkeiten und der spassigen Spinnereien manchmal noch eine zweite Chance. Wer sie nicht nutzt, ist selbst schuld, so das Credo aller Beteiligten.
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