Komisch, was mir jetzt auffällt: Ich hatte fast immer über die Künstlerinnen und ihre Hervorbringungen geschrieben. Über das weibliche Geschlecht und seine Kunst. Dessen war ich mir aber nicht bewusst. Ziemlich unbewusst nämlich hatte es sich so ergeben, dass fast immer ich derjenige war, der sich mit den Frauen in der Popmusik beschäftigte und zu beschäftigen hatte, insbesondere mit Singer/Songwriterinnen. Da ich alles annahm, was kam, war mir das recht. Ein Auftrag mehr. Ausnahmen waren persönliche Vorlieben meiner fest bestallten Auftraggeber oder ein übergroßer, sich in Besucherzahlen äußernder „Erfolg“, der offenbar eine gewisse journalistische Bearbeitung notwendig machte. Dabei hatte ich mich schon vor meiner Zeit als Schreiberling für Künstlerinnen und ihre Hervorbringungen interessiert. Joni Mitchell zum Beispiel hat mich nachhaltig beeindruckt und beeinflusst. Aber auch Rickie Lee Jones. Mir war damals einfach nicht klar geworden, dass das Geschlecht eine Dimension sein könnte, anhand dessen man Rockmusik beurteilen könne. Mich interessierte eigentlich nur, was ich für gut oder schlecht hielt, was originell oder kreativ war. Was für etwas stand. Gelegentlich mal kam es mir unter, dass ich das "spezifisch Weibliche" darin suchte, je nach geistiger Beschäftigung zum jeweiligen Zeitpunkt. Doch die Männer scheinen mir in puncto „Anpassungsfähigkeit“ um nichts den Künstlerinnen nachzustehen. Freilich war dies nichts, was mich heftig umtrieb. Rockmusik war für mich etwas Selbstverständliches, über Ethnien und Geschlechter hinweg. Mittlerweile scheint sich mir wieder ein starker informeller Impuls eingeschlichen zu haben, auch ein Aufwachen unter dem Stichwort „Me too“, das mir aber allzu sehr mit seiner Gegenbewegung korreliert. Es scheint mir Übertreibungen zu geben. Meine damals verlorene „Unschuld“, die Auffassung als „Selbstverständlichkeit“, scheint mir als Möglichkeit im derzeit herrschenden allgemeinen Diskurs verloren gegangen zu sein.