Mir ist ein Zettel in die Hände gefallen, der Notizen und Aufzeichnungen zum Aufsatz „Musik und Identität“ von Simon Frith aus dem Jahr 1996 enthielt. Ach!, so denke ich. Das passt gut in die Jetztzeit. Frith beschreibt den akademischen Diskurs, der gerne mal davon ausgehe, dass Sounds „auf irgendeine Weise die Menschen widerspiegeln oder repräsentieren“. Das analytische Problem liege dann immer in dem Unterfangen, eine Verbindung zwischen dem Werk (der Partitur, dem Song, dem Beat) und den sozialen Gruppierungen herzustellen, die es produzieren und konsumieren. Meine Beobachtung hingegen war, dass sich nicht nur in der Popmusik die musikalischen Zeichen längst von ihrer (sozialen) Bedeutung gelöst haben. Populäre Musik scheint sich meiner Ansicht nach stets überall dort „bedient“ zu haben, wo das erfolgversprechend war.
So ist etwa die einst umstritten populäre Weltmusik-Welle längst abgeebbt: Fans scheinen sich nicht mehr für folkloristisch (also regional verwurzelte) geprägte Musik interessiert zu haben. Teils mag es ihnen auch zu anstrengend und zu weit entfernt von ihren eigenen Hörgewohnheiten vorgekommen sein. Sie interessierten sich einfach nicht dafür. Auch nicht grundsätzlich für ein anderes kulturelles und soziales Zeichensystem, als ihr lange eingeübtes. Es mag ein kurzfristiger Schlenker gewesen sein, eine augenblickliche Laune. Ob das aber heute für den Vorwurf des Rassismus und Kolonialismus schon ausreichen würde? Die jüngste Konjunktur der Identitätspolitik habe „kraftvoller als jemals“ die Annahme gestützt, dass zum Beispiel nur Afroamerikaner einen Zugang zu afroamerikanischer Musik haben (was war dann das, was mit Clapton, Beck oder Page damals anfing?), dass es einen grundlegenden Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Ausdrucksformen gebe und dass die „Globalisierung lokaler Musiken einem kulturellen Genozid gleichkommt“. (War damals eine populäre Ansicht, die jetzt wieder in Schwung zu kommen scheint).