Ich muss runter von David Sylvian, koste es, was es wolle. Habe leider noch viele weitere Alben von ihm, die
ich hören müsste. Ein Segen ist es, dass ganz in seiner Nähe die Alben eines Künstlers stehen, den man etwa 1997 im Vorprogramm von Tori Amos hörte und restlos begeistert war. Eine skurrile
Band mit Cello und weiteren Streichern, mit Cembalo und einem knitzen Gesang, der trockenen schwarzen Humor intonierte: toll, ich erinnere mich genau. Das war einer der ganz guten Momente!
Der Mann hieß Neil Hannon und seine Band nannte er The Divine Comedy. Im Laufe der nun folgenden Jahre wechselte er oft seine musikalischen Begleiter und keiner wusste, wieso er manche
Projekte mit seinem Namen überschrieb, manche als The Divine Comedy und manche als Neil Hannon and the Divine Comedy. Aber man wusste so manches nicht bei diesem schmächtigen Jüngling mit dem
Aussehen eines Nerds, der manchmal so etwas wie eine altenglische Aura sowie etwas Monty Python’s Flying Circus ausstrahlte und der Sohn des Bischoffs von Glogher sein sollte.
Wow! Ich hatte einen tollen Songschreiber entdeckt. Skurril im höchsten Ausmaß! Aber nicht als Gag, sondern
der Mann war echt, durch und durch seltsam. Sofort das Album her! Möglichst alles Verfügbare! Hier höre ich in „Death of a supernaturalist“: „See my solitude, Where once was truth now only
doubt, Touch my tortured skin,Torn from within and from without, Kiss my blistered lips, My fingertips frost-bitten and grey, Heal my wound within, And watch the dead skin fall away...“ Ein
Spiel mit der Romantik, Zitat eines Gefühls, „Miss Marple“-Filmmusikähnlich, ausgestaltet anfangs mit Cello und höchst spritzigem Popgesang. „Badadadaba….“ Gleich darauf noch spritziger, noch
leichter, Hohn und Spott, wie war’s gemeint?. Meine damalige Freundin und ich befanden sich in einem edlen Wettstreit: Wer hatte welches Album und konnte es sodann triumphierend dem andern
vorspielen? Eine Sonntagnachmittagausfahrt auf der ersten Scheibe: „Your daddy’s Car“: We took your daddy's car, And drove it into town, We steamed into a bar, And we bought the biggest,
Bottle of champagne, And driving through the rain, We sang "God bless this car, And all who sail in her…..We took your daddy's car, And wrapped it 'round a tree, We didn't know what for, We
didn't feel like driving anymore, It was so good we got bored, And we are driving from the day, We are born" Haha und nochmal haha: „Wrapped it round a tree“. Um einen Baum gewickelt. Drunter
eine tolle Melodie. Als Abschluss „Can you feel the sadness in our love?, Well it's the only kind we're worthy of, And can you feel the madness in our hearts?, As the key turns and the engine
starts, Can you feel the engine start?, Engine start“ Ach, erinnere mich auch an seltsame Synthesizerspiele, muss auf einem Album meiner Freundin gewesen sein. Jaja, er mochte Human League,
das wusste man. Und er hasste Musikmaschinen. Aber was er damit machte? „Promenade“, „Casanova“, „Fin de siecle“….So hießen einige der folgenden Alben. Ich breche zusammen. Ich brauche mehr
davon! Ich höre jetzt „Absent Friends“, das Album, mit dem er mal wieder gnadenlos überraschte: Tendierte er bisher eher zum Kleinen, Verschmitzten, so drehte er hier das ganz große Rad und
machte ein Fass auf. Breite Orchesterflächen, schön konturiert, manchmal zurück geführt auf zb. ein Duo, er wieder mit seinem dünnen Stimmchen will den großen Bariton geben, gibt dabei alles
und karikiert es gleichzeitig in Thomas-Bernhard-Manier. Wieder das Spiel mit Stilmitteln. Romantische Klangzusammenballungen mit einer Prise Pop. Ich ziehe noch mal das Album „Absent
Friends“ aus dem Jahr 2004 heraus. Hier höre ich sein „The Wreck of the Beautiful“: „I thought I heard her call, maybe I heard nothing at all. I thought I heard her call from the wreck of the
Beautiful“ Ach, klasse! Ich habe ihn noch 1000 mal erlebt, einmal sogar unplugged, nur zur Akustikgitarre. Er ist auch rein musikalisch ein toller Songschreiber. Gut, dass es solche noch
gibt!