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Neue Horizonte

Heute morgen hat es mich wieder einmal erwischt: Ich hatte in meiner Sammlung jahrelang immer auf die CD „Monkjack“ (1995) zugegriffen, wenn ich Jack Bruce wollte. Wie automatisch. Nun hörte ich auch andere CDs von ihm. Immer schon mochte ich seine Balladen, wenn seine Stimme toll zur Geltung kam, wenn dieser Wechsel von äußerster Sanftheit, ja Zärtlichkeit und heftiger Deutlichkeit bei ihm zum Ausdruck kam. Aber auch seine schrägen Akkorde, die er so unnachahmlich in seine Songs baute. Und die Zeilen, die er da zelebrierte: Er schien ja sein ganzes musikalisches Leben über die Texte dieses Pete Brown zu singen, den wir damals zur Kenntnis, aber nie richtig wichtig nahmen. Heute weiß ich: Das ist einer der besten Lyriker, die die Rockmusik jemals zu bieten hatte. Diese Mischung aus unsentimentaler Melancholie und Sehnsucht war in meinen Ohren immer unschlagbar gewesen, ja, sie brachte mich zuweilen regelrecht zum Weinen. Die ihr angemessene Wichtigkeit räumte man ihr aber trotzdem nicht ein. Brown deutete durch seine Worte oft eine Weite an, die ich in den USA auch erfuhr, wenn ich mich so manches mal in die Siedler hinein versetzte, die ins Ungewisse gen Westen zogen, einem neuen Leben entgegen. Jacks Stimme schien mir genau darauf zu passen. Das stimmt auch bei einem meiner Lieblingssongs, „Theme from an imaginary western“ (ursprünglich durch die Band Mountain bekannt geworden): „When the wagons leave the city, For the forest and further on, Painted wagons of the morning, Dusty roads where they have gone, Sometimes travelin' through the darkness, Met the summer comin' home, Fallen faces by the wayside, Looked as if they might have known, Oh, the sun was in their eye, And the desert that dry, In the country towns, Where the laughter sound, Oh, the dancing and the singing, Oh, the music when they played, Oh, the fire that they started….“ Ach, ich hatte diese Verse immer bei mir gehabt, im Geldbeutel. Unglaublich. Sie waren für mich für so intensiv, wie Worte nur sein können. Und ich war unter anderem im Death Valley in einem Museum, wo ich in ein paar Briefen der Siedler unter anderem von ihrem Heimweh lesen konnte: „And the desert that dry...“. Ja, das war hier sinnlich erfahrbar. Sie waren getrieben von der Suche nach einem neuen Anfang, von der Gier nach Gold, von einem Versprechen, dass sich für die meisten nie erfüllte. Wichtig war für sie aber neben der Familie im Planwagen auch das Streben nach neuen Horizonten, weg von der Not, weg von Verfolgung, weg von dem alten Leben, hinein in etwas Neues - was für manche von ihnen im Tod endete. Wunderbar konnte Jack Bruce dem mit seiner Stimme dem Ausdruck verleihen, Konturen heraus schleifen, seine Menschlichkeit einbringen und sie einem mitteilen. Zuletzt habe ich ihn live gehört, an seinem Geburtstag, wozu, wie ich später gehört habe, auch seine langjährige Herzdame gekommen sein soll, bei der er lange Jahre gewohnt hatte. Dabei hörte ich auch mal wieder einen sensationell guten Bassisten, der sein Instrument wie eine Selbstverständlichkeit behandelte: „Oh the music when they played…“