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Progressiv voran

Seltsam abgehoben und geradezu autistisch in sich hinein dudelnd kamen sie mir vor, diese Helden der Progrock-Bands, deren Konzerte ich besuchte. Sie schienen mir als wohlgeratene und langhaarige Söhne ihrer Elternhäuser vorzuführen, wie gut sie nach einer langen Ausbildung ihr Instrument beherrschten und wie sie für gut erzogene Oberschüler spielen konnten, - sie hatten darüber hinaus aber wenig mitzuteilen. Es schien Vieles eine Feier ihres Egos zu sein, in die „die Fans“ mit einstimmten, indem sie diese „Virtuosen“ mit allen Mitteln (vor allem Merchandising) anbeteten. Diese zeitgenössischen Prog-Rock-Helden waren ja in Wirklichkeit die Erben jener ersten Generation von Progressiv Rockern a la Yes, E L P, King Crimson, Jethro Tull oder Genesis, die mit ihren ausufernden und manchmal an mysteriösen Themen orientierten „Werken“ und den Rahmen üblicher Popmusik sprengenden Stücken den Boden für solche zeitgenössischen Kunststücklereien bereitet hatten. Es kamen ja damals eine Flut von „Konzeptalben“ über einen, analog zu den früheren Opern. Auch ich sah damals noch genau darin einen Sinn über die Zelebrierung eines Egos hinaus in der Feier und Synthese von bildungsbürgerlichen Inhalten und Rock. Was mich störte, war der Kult, die sich nun entwickelnde und die unbedingte Anhängerschaft diesen Bands gegenüber, die scheinbar alles besser konnten. Schnell schien sich mir diese Anhängerschaft zu einer eigenen Gemeinde zu isolieren und sich neu definieren zu wollen zu einer Art Kadergemeinschaft, die „die wahren Ziele“ eines fortgeschrittenen Zuhörens verfolgte. Ausdruck, soziale Relevanz oder Nachvollziehbarkeit schien dabei keine Rolle mehr zu spielen. Was einen anzog, war die flotte Hinwegsetzung über vorgegebene Normen, zb. eine schamlose Überziehung jeglichen zeitlichen Rahmens.