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Sachte

Erster Eindruck: das ist schon ziemlich kurz und knapp bestückt mit etwas über 30 Minuten! Weil: Man könnte sich ja einnisten in dieser neuen CD „Vagabond“ von Dominic Miller, man könnte es länger in dieser Klangwelt aushalten, man könnte sich so wohlfühlen, dass es einem vielleicht sogar weiterhelfen könnte. Dieses Album umfängt einen wie eine Schutzhülle. Wie er da wieder Klangzusammenhänge entwirft und sie sachte anführt! Jetzt wieder mal in einem Bandzusammenhang mit Jacob Karlzon, piano, Ziv Rvitz, drums und Nicolas Fiszman am Bass. Man spielt sich Zeichen der Verständigung zu. Man geht aufeinander ein. Sachte. Behutsam. Ob das ein Modell dafür sein könnte, wie es bei uns zugeht? Zugehen könnte? Umgang? Mal zuhören. Versuchen, die Zeichen zu verstehen. Versuchen, sich auf jemanden einzustellen. Austausch anstreben. Nie Konfrontation.

Er spielt die Nylonsaitengitarre. Hört man in solchen Zusammenhängen relativ selten. Hat vielleicht etwas mit seinem Geburtsland Argentinien zu tun. Vielleicht. Er hat ja bei tausend Studioproduktionen mitgewirkt, von Phil Collins bis Pavarotti. Die vergangenen tausend Jahre hat er mit Sting gespielt, live und im Studio. Dabei hat er auch schon mal seinen Sohn als zweiten Gitarristen mitgeschleppt.

Ich spüre hier schon mal, welch behutsames Tasten hier ist, wie sehr es hier ein Streicheln von Möglichkeiten gibt. Und dann etwas völlig Neues in diesem Zusammenhang: Schon im zweiten Stück „Cruel but fair“ fließt ein Thema, ein Motiv in unsere Gehörgänge, schmeichelt sich geschmeidig (man meint, vieles sei da spontan, kreativ aus der Luft gegriffen) so ein, dass dies Thema einen in großer Subtilität einen ganzen Tag lang begleiten kann. Ohrwurm? Ja, aber ganz vorsichtig abwägend und geradezu zärtlich. Nie aufdringlich. Das sechste Stück „Altea“ scheint auf diesem Album ganz ähnlich zu funktionieren.

 

Dominic Miller, Vagabond, ECM Records 2704