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Streben

Ob das eine Art mystischer Aufgalopp war, was ich in meiner Jugend suchte, als ich stundenlang auf dem Piano improvisierte? Etwas, was ins persönlich Religiöse führte, was sogar noch darüber hinaus ging? Etwas Individuelles finden, ein intim gefärbtes Ziel suchen, diesen Antrieb hatte ich schon nach der Lektüre Hermann Hesse empfunden. Geradezu trivial ist, dass damals jeder dem Zeitgeist entsprechend sein persönliches und manchmal auch psychedelisch veredeltes Heil suchte. Möglichst noch so etwas wie Erleuchtung, die Pop- und Rockmusik samt ihrer ausführenden Personen („Love, Devotion and Surrender“) konnten einem da manche Anregungen vermitteln, die Literatur auch. Der Zeitgeist strebte in diese Richtung. Blöd nur, dass ich auf diesem Weg nicht sonderlich weit voran kam, jedenfalls nicht sicht- und nachvollziehbar für meine Umwelt (die dazu oft Drogen nahm und mich ununterbrochen dazu verführen wollte). Was für meine Umwelt zählte, war zunehmend das Geld.

Und ich? Man klimperte, stümperte, improvisierte, und wollte dadurch in Kontakt mit etwas kommen, von dem nicht genau wissen konnte, was es war. Am Lagerfeuer versagte man, man zuckte seltsam auf der Gitarre herum, riss an, verwarf. Man blieb in den Augen der Umwelt Stümper, was zählte, war eine Art Virtuosität in bekannten Songs, kombiniert mit angelerntem Gestus des von seinem Talent Beschenkten. Man nahm das schon wahr, dass man abstank, dass man keinerlei Beachtung oder gar Anerkennung erfuhr. Es verletzte einen. Also spielte man in 1000 Bands mit (wo ich mich bewusst unterordnete, nicht, wie alle anderen, zum Solo drängte) und versuchte nebenher, sein eigenes Ding zu machen (wo ich meine eigenen Ideen verfolgen konnte, wobei mir jene Mitmusiker halfen, die sich einer Idee unterordnen konnten, "Solo-Projekt"). Es wurde nix nach gängigen Maßstäben. Diese „gängigen Maßstäbe“ setzte alleine das Geld. Auch auf diesem Gebiet versagte ich radikal. Geld erschien mir als ein Medium all dessen, was ich auf diese und jene sanfte Art bekämpfte. Ich ließ mich in die Literatur fallen, empfing von dort aus neue Anregungen. Danach kam das Studium, aus dem nun wiederum neue Anregungen erfuhr. Die Anregungen stießen mich seltsamerweise oft auf eine Realität, die von „Beziehungen“ (so nannte man damals noch das „Networking“) und Intrigen, von Gier und Trieb geprägt war. Man fühlte sich in die Rolle des Beobachters gedrängt und formte daraus später sein Verständnis von Journalismus, in das man sein Verständnis und seine Erfahrungen von Rock- und Popmusik einzubringen versuchte. Wiederum versprach man sich davon eine Art Ausstrahlungskraft und einen gewissen Ruf, was sich aber wiederum als eine krasse Fehlkalkulation heraus stellte.

Auch war man in einem solchen sozialen Zusammenhang (man fand sich im „Journalismus“ wieder) so etwas wie Mobbing und Karrierestreben ausgesetzt, was ich alleine schon aus meiner Erziehung gar nicht kannte. Später nahm ich mein altes Streben in der Musik wieder auf. Ich produzierte jahrelang vor mich hin und fand bestimmte Sachen gut, andere weniger gut. Doch ich konnte weder dies noch irgendetwas anderes „verkaufen“. Dass dies „Verkaufen“ insbesondere in einer schwäbischen Umwelt zählt und dass man sich dabei „hart anfassen“ lassen muss, gehört zu jenem, was ich der Folgezeit zu kapieren hatte.