Es scheint mir in der populären Kultur, insbesondere in der Popmusik, darum zu gehen, den vielleicht auch verborgenen Emotionen einer möglichst großen Zielgruppe Ausdruck zu verleihen, sie manifest zu machen und den Zustand der populären Kultur möglichst geldwert zu spiegeln. Dabei gilt es, den Zeitgeist möglichst direkt aufzunehmen und ihn in Symbolen und Texten zu treffen. Es geht möglicherweise darum, Leute (die Wirtschaft bezeichnet das als „Zielgruppe“) möglichst massenhaft anzusprechen und daraus möglichst viel Geld zu machen. Also, was sagt ein Phänomen wie Taylor Swift über den Zustand unserer Gesellschaft aus? Darf man sich dazu auch kritisch äußern? Oder ist das ein Terrain, das genau wie der Fußball der emotionalen Entlastung dieser Gesellschaft dient und deshalb von „seriösen Kritikern“ höchstens gönnerhaft verstehend belächelt werden sollte?
Ob die Milliardenumsätze, die das Phänomen Swift zu garantieren scheint, eine kritische Betrachtung zu rechtfertigen scheint? Mir scheint, die akademischen Bemühungen um dieses Phänomen kreisen um die Beschreibung von Ritualen der Verehrung und demonstrieren vor allem eine Unfähigkeit, sich mit Phänomenen der populären Kultur auseinander zu setzen. Die Zuschreibungen, derer sich die Akademiker befleißigen, scheinen mir mehr über ihre Urheber aussagen als über das betrachtete Phänomen. Es sagt offenbar etwas darüber aus, dass sich diese Leute nie intensiver mit Popmusik beschäftigt haben, obwohl auf diesem „Markt“ viele Milliarden bewegt werden. Ich stelle fest: es wird sehr textbezogen interpretiert. Dieser Tage kam mir in diesem Zusammenhang sogar eine Analogie mit Nietzsche unter. Nun ja, es scheint mir oft um Überhöhung von einfachem, „unschuldigem“ Textmaterial zu gehen, gewürzt mit einer Prise Feminimus, gerade so viel, wie es eben Mode ist.
Es fehlt auch oft an Trennschärfe: interessant wäre es in diesem Zusammenhang, zu verhandeln was TS möglicherweise anders macht als andere? In der Popmusik hat möglicherweise derjenige gewonnen, der etwas zum ersten Mal macht und dem deshalb das „Genie“ zugesprochen wird. Die Nachfolgenden sind meist Epigonen (was mir in der Popmusik sehr wichtig erscheint, das aufzunehmen und zu verarbeiten, was war...). Was also hätte Swift zum ersten Mal gemacht? Es ging in der Vergangenheit oft um die „Befreiung“ der Sexualität durch Provokation: Elvis oder Madonna mit ihren Provokationen sind Legende. Vertonungen dieses Bedürfnisses gibt es in der Popmusik en masse aus vielen Perspektiven. Hier scheint es mir bei Taylor Swift nicht mehr um Kreativität zu gehen, sondern um die massenhafte Projektion (in diesem Falle das Übertragen eigener, scheinbar unerfüllbarer Bedürfnisse auf andere Personen). Es geht um das sich bedingungslose Verschreiben einer globalen Marke, die mit Identifikationsangeboten lockt und ihren eigenen Preis ständig hochtreibt. Es geht um ein Farblos gestaltetes Etwas, das es jeder und jedem recht macht, egal, welcher Herkunft oder kultureller Prägung. Es geht um ein in meinen Augen farb- und kantenlos gestaltetes Etwas, das auf dem „Weltmarkt“ möglichst gute Chancen hat. Aus dem Instrumentenkasten des Marketing stammen Spekulationen über Liebhaber, Verliebtheiten und Trennungen. Individuelle Entwicklungen in die „richtige“ Richtung, das gleicht ein bisschen den gegenwärtig so populären „Manifestationsmechanismen“, die ja den Zustand unserer gegenwärtigen Kultur kennzeichnen. Es wird dabei genau der Erfolg angebetet, der sich in Zahlen und Geld ausdrückt.