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Mini-Morrison

Habe ich damals ironisch bedacht. Weil er so ein Bild für die Mechanismen des Showgeschäfts war. Jetzt höre ich ihn wieder öfter und nehme ihn deutlich ernster.

Die verzweifelte Stimme, und ihr Brüllen das Hineingrunzen in Gitarrengewitter,

 

METAL-RAMBO UND DÄMONISCHER MINI-
MORRISON (1992)

 

Danzig auf dem Killesberg

An seinem böser Bube-Image hat er hart gearbeitet und da lässt er auch nicht
dran rütteln. Dass sein Gesang an Jim Morrison erinnert, klingt schon fast wie
ein Gemeinplatz, der allerdings Glenn Danzigs Ruf genauso wenig geschadet hat,
wie der fortwährend zur Schau gestellte Muskelmann-Body. Der Sylvester Stallone
des Rockgeschäfts traf nach einer bewegten Vergangenheit in New York auf Under-
ground-Starproduzent Rick Rubin, der sich auf Heavy-Metal-Combos wie Slayer
oder Black Crowes spezialisiert hat, und sich so ganz nebenbei mit seiner Plattenfirma Def American um die kommerzielle Verwertung seiner Hart-Ware kümmert. Der zweite Anlauf der beiden brachte den Erfolg: "Luzifuge" hieß 1990 das düstere Durchbruchswerk, das Glenn Danzig heute gar nicht mehr gefällt.
Deshalb nahm er bei der neuen Platte "How the Gods kill" auch als Produzent
alle Fäden selbst in die Hand. Die drei Musiker seiner Band haben sowieso nichts
zu melden und spielen, was ihnen ihr Chef vorgibt.

Der kleine Diktator aber scheint besonders die Teenager zu faszinieren: beim Konzert von Danzig in der Messehalle B des Killesberg bestimmte diese Altersgruppe eindeutig die Szenerie. Die rund 3000 in der langezogenen Schlauchhalle sahen sich zunächst bedrohlich großen Lautsprecherbatterien gegenüber, von denen es alsbald kräftig was auf die Ohren gab. Dumpf grollte die Ouvertüre, roh sägte die Gitarre los, tief wummerte der Bass. Chuck Biscuits aber, hoch oben unter den Scheinwerfern auf seinem horngeschmückten Schlagzeugthron, schien von Anfang an trommelnd die Strafe für sein Tun abzubauen: der arme Wicht schwitzte wie in einem Microwellenherd und schüttete auch während seines theatralischen Spiels ununterbrochen und hastig Flüssigkeit in sich hinein.

 

Weiter unten gab der düstere Sangesheld Danzig den Rambo: die Faust zeigte
gen Decke und wild zuckte das Haupt, ein brüllender Ballermann par excellence.
Nach einer halben Stunde schien er sich die Hörner doch etwas abgestoßen zu
haben. Die unheilsschwangere Ballade "How the Gods kill" offenbarte Danzigs
überragende Qualitäten als dämonischer Mini-Morrison und bescherte den Ohren
willkommene Entlastung, bevor es in weitere Power-Runden ging. Nach genau
neunzig Minuten hatte der Spuk dann ein Ende: Glenn Danzig hat auch in Stuttgart
ein Profil herausgehämmert, mit dem er sich von der Masse seiner Metal-Konkurrenz absetzt. Und das ist im Showgeschäft die halbe Miete.