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Werk und Wirkung, Clapton und der Blues

Aber ja, wir hatten das damals nicht allzu ernst genommen. Schließlich war Eric Clapton nicht unbedingt für seine politisch profunden Aussagen bekannt und wir hatten ihn auch alle wegen anderer Qualitäten gern. Überhaupt bemerkte ich bei mir eine Tendenz, diejenigen Aussagen von Künstlern, die ihrer Prominenz geschuldet waren, nicht allzu ernst zu nehmen. Das war mir sowieso zu nah an dem von der Werbung hingebungsvoll gepflegten Image-Transfer dran. Wen ich ernst nahm: z.b. Frank Zappa, der sich ganz offensichtlich schon von Beginn seiner „Karriere“ an Gedanken über Wahrnehmungsgewohnheiten gemacht hatte und die Provokation zur Irritation und Verunsicherung dieser Gewohnheiten einsetzte. Das schien mir einigermaßen tiefgehend. Dass er eine Art (SEINE Art!) Anarchist war, war offensichtlich. Aber Clapton? Wir fassten ihn stets als reinen Musiker auf, der nichts als das im Sinne hatte. Dass er den Blues vergötterte, ihn aber stets als so etwas wie ein folkloristisches Zitat vorführte, nahmen wir mehr von der Seite aus zur Kenntnis. So what?

Als dann später von ihm seltsame Zitate kolportiert wurden, nahmen wir das zur Kenntnis, konnten es aber nicht so richtig einordnen. Nun, dass der Blues ursprünglich etwas mit der Hautfarbe zu tun hatte, war für uns kein Thema bei ihm. Das Leiden war ja in seiner Musik, das genügte uns. Es hatte aber bei ihm vor allem individuelle Qualität (z.b. seine Drogenerfahrungen und der Fenstersturz seines Sohnes) und weniger eine soziale Dimension. Er nahm später dann auch mal eine Scheibe zusammen mit BB King auf: ja klar, der war ja auch nahe am Blues dran. Doch jetzt fällt uns auf, dass Clapton all die Jahre kaum einmal ein Wort über die soziale Qualität des Blues hat fallen lassen. Armut, Monotonie, Gewalt und Diskriminierung war offenbar nicht drin in seinem Weltbild. Das schienen „die Anderen“ zu sein, deren überragende Ausdrucksqualitäten man gerne in sich selbst aufgenommen hatte. Ich habe später einmal ein Interview mit BB King führen dürfen. Er sprach damals mit Hochachtung von „seinem Freund“ Eric Clapton. Ob dies aber eher auf gemeinsame geschäftliche Interessen fußte, denn auf menschlicher Sympathie? Wir wissen es nicht. Unser beidseitiges Interesse war jedenfalls klar vorgegeben. Außerdem: Es gibt viele andere Figuren nichtweißer Hautfarbe, von denen wir das auch nicht so genau wissen. Sie schienen oft in einer Art Mimikry aufzugehen, die durch ihre Posen und Gesten in einem damals von nahezu ausschließlich weißen Geschäftemachern bestimmten Business wohl zeigen sollte, dass sie mindestens genauso viel wert waren, wie ihre „Mitbewerber“. Dass sie mit ihrer „Race Music“ bestehen konnten in diesem „Rat Race“. So war‘s.

Zurück zu Clapton. Ob er wohl hätte etwas sagen können zu den sozialen Zusammenhängen? Vielleicht sogar sich engagieren? Dass er seine 1976 ins Publikum geschossenen Tiraden (2017 soll er so etwas noch einmal wiederholt haben…) nie richtig zurück genommen hat: Wir nahmen ihn auf dieser Ebene sowieso nicht ernst. So etwas wie eine Distanzierung oder Differenzierung wäre ihm aber gut angestanden. Denn es gibt ja auch dieses weitgehend unreflektierte Massenpublikum, das Vieles nahezu ungefiltert aufnimmt. Und „normale“ Bildungsbürger nehmen so etwas als Gegensatz zwischen Werk und Wirkung auf. Auch Künstler mit schwachem oder inkorrektem Charakter können faszinierende Kunst schaffen.