Zuerst fiel mir dieser seltsame Name auf: Dead can dance. Das hatte etwas aus der Welt der Höhlenmalerei, etwas Ursprüngliches, Rituelles und etwas Verdrängtes. Sie kamen wohl aus Australien, der Welt der Aborigines, für deren Vorstellungungen ich mich damals auch interessierte. Dann hörte ich etwas von ihnen und sah sie live: etwa 8 Personen, wobei sich etliche in Schwarz Vermummte an den Perkussionsinstrumenten zu schaffen machen, - wozu auch dicke fette Pauken gehörten. Das hatte etwas Schamanenhaftes, Bizarres. Es kam ein Sound über einen, der hypnotisch war, gothic-gruftig und geheimnisvoll. Die Sängerin befleißigte sich einer Art Scat-Gesangs der Alt-Phantasien, schien sich in von dunklen Syntyschlieren unterstützte Melodieschleifen hinein zu taumeln in Richtung auf eine individuelle Sprache und Mitteilungsweise. Betörend. Der Sänger kurvte in im Vergleich dazu konventionellen Gesangsschleifen und bediente tausend Saiteninstrumente, von denen die Gitarre nur eines von vielen war. Aber auch Bombarde, Dudelsack und Drehleier waren von ihm oft zu hören. Daheim besorgte ich mir weitere Alben von Dead can Dance, die sich bald als das Duo Mann/Frau/Lisa Gerard/Brendan Perry herausstellten und meist auf dem Label 4AD aufgenommen waren. Es ging von ihnen etwa Dunkles, Düsteres aus, das auf den Alben freilich aufnahmetechnisch brillant umgesetzt war und die in diesem musikalischen Umfeld oft gehörten Dilettantismen vermied. Auch war das übliche Rockinstrumentarium weitgehend verbannt (Der Multiinstrumentalist Brendan Perry setzte nur auf seinem Soloalbum „Eye of the Hunter“ viele Akustikgitarren ein… Lisa nutzte das gesamte Spektrum der Synthesizer- und Samplertechnologie). Wer wollte, konnte Mittelalterliches im DcD-Sound finden, aber auch Arabisch-Orientalisches, Gregorianisches und Afrikanisches. Erst viel viel später fand ich meine „alten“ Alben in aufgehübscht remasterten Versionen und konnte Lisa Gerrard (die Sängerin und Keyboarderin) als eine gesuchte Hollywood-Soundtrackkomponistin identifizieren („Gladiator“). Was diese Leute aus Hollywood suchten? Das Mystische, in sich Ruhende, das sich Drehende (fast im Stile der Sufis), das Tranceartig Rituelle, das sie für sich einsetzen und nutzen wollten. Und Lisa machte offenbar alles mit. Das dämpfte meine Begeisterung später. Beide kamen ursprünglich aus Australien. Er lebt und arbeitet heute offenbar in der Bretagne und lädt Lisa Gerrard, die mit tausend verschiedenen Partnern Alben aufgenommen hat, manchmal zu DcD-Sessions ein. Nach einer längeren Pause sind die beiden nun wieder fortwährend auf Tournee (mit tausend Live-Alben) und haben Alben aufgenommen, die eher einen Duocharakter haben, die sehr professionell gemacht sind, aber viel von dem Geheimnis früherer Tage verloren haben. Aus dem einstigen DcD-Sound war offenbar ein Muster, ein Rezept und Konzept des Erfolgs geworden. Auch störten mich etwas die offenkundigen Tendenzen zur Personaleinsparung und der Eingang in die Charts. Die breite personelle Aufstellung hatte das Duo früher in offen kollektive Felder und andere Wahrnehmungshorizonte geführt, was nun offenbar vorbei war. Ich greife mir aus meinen vielen DcD-Alben meist „Spiritchaser“ (1996) und „Into the Labyrinth“ (1993) heraus, lasse mich davon tragen und zum selbstvergessenen Dödeln animieren.