Eine kulturpessimistische Polemik:
Ob Pop mit mindestens zwei ganzen Generationen den jetzt so übel grassierenden Populismus eingeübt hat? Das Führerprinzip und die Gleichschaltung der Gefühle - da war ja teilweise noch mehr. Konzerte waren zu Wallfahrtsorten geworden. Ich fühlte mich immer ziemlich alleine, wenn die Massen tobten und johlten, was gerne mit solchen Begriffen wie „gute Stimmung“ und dergleichen umschrieben wurde. Es stieß mich immer etwas ab, diese Gleichschaltung, diese Massenbegeisterung, dieses Aufgehen im Pulk, dass ja doch nur "Spass" bedeuten sollte. "Ein faschistischer Führer würde Großbritannien gut tun" - erzählte 1976 David Bowie dem "Playboy"-Magazin. Und im selben Jahr rief Eric Clapton auf offener Bühne: "Schmeißt die Fremden und die Schwarzen raus aus England, haltet Großbritannien weiß!" - und fordert dazu auf, den Neonaziführer Enoch Powell zu wählen. Seltsam. Passt irgendwie gar nicht. Ob er etwas ausprobieren wollte oder ob er das damals wirklich meinte? Er, der nicht nur von BB King so vieles lernte und mit ihm später sogar ein Album einspielen sollte. Er, der Robert Johnson und den Blues so verehrte. Ob er da, als er so etwas sagte, schlechte Drogen genommen hatte?
Ja klar, der Künstler und der Politiker erwarten, dass etwas aus der Masse zurück kommt, was sie noch weiter anpeitscht. Sie erwarten, dass ihr Charisma massenhaft wirkt und Geld abwirft. Das galt sowohl in der frühen Rockmusik als auch in der späteren Popmusik. Sich um jemanden zu scharen, den man beinahe anbetet, that's it. Paralellen? „Fan“ sein. Das Wort „Fan“ kommt von fanatisch. Also fanatische Verehrung und bedingungslose Gefolgschaft, selbst im Kleinsten. Ob uns das an etwas erinnert? Unterschiede, dann doch? Ach ja.... hoffentlich!
Um als Populist zu funktionieren, muss man die Welt aufteilen. Möglichst in zwei Gruppen. Die einen sind die guten, tollen, lieben, schönen, - das sind Sie, der Chef von denen, von dieser Herde -, und den anderen. Die anderen sind die ganz Bösen, Hässlichen, Gemeinen, die sozusagen Sie bekämpfen. Gut und Böse. Die Bösen vielleicht sogar noch mit Spitznamen bedenken. Ohne diese Zweiteilung werden Sie nicht weit kommen als Populist und Demagoge.
Die Leute verfügen in satten Industriestaaten wie Deutschland oder den USA über viel Geld (woher es wohl kommt, dass die neuen Bundesländer auf den meisten Tourneeplänen der internationalen Popstars etwas unterrepräsentiert sind?), das sie in ihrer Freizeit ausgeben können. Freilich ist die Konkurrenz auf dem Gebiet der Freizeitaktivitäten deutlich breiter geworden seit den früheren Tagen der Rockmusik. „Der Wettbewerb ist härter geworden“, so die bereit stehende Phrase. Der Monopolisierungsprozess im Musikgeschäft hat in dieser Zeit aber auch gewaltige Fortschritte gemacht. Es ist ja noch immer (oder gerade jetzt...) viel Profit auf diesem Gebiet zu machen.
Anfangs wollten sich Rockkünstler ja von dem abwenden, was vor ihnen da war. Sie spielten Revolution vor und waren Anti-Establishment, sie waren dagegen und sie spielten sowohl das Super-Ego als auch den Teil einer „Bewegung“. Bob Dylan, Mick Jagger, Pete Townshend oder auch Janis Joplin waren damals Rockstars, obwohl ursprünglich so gut wie nichts darauf hindeutete. Die Rockmusik gab diesen Leuten die Möglichkeit, viel Geld aus ihren Abgründen und Phantasien zu machen, sie in einem kreativen Sinne so zu gestalten und in gereimte Verse zu zwingen, dass es „irgendwie“ mit Befreiung zu tun hatte.
In einem späteren Stadium haben sie dies in eine Art Reife überführt, die sich ihrer Ausdrucksmittel sehr bewusst war. Diese Musiker mussten sich nirgendwo vorstellen, wurden von keiner Jury in einem Casting ausgewählt. Sie haben sich selbst auch durch die geschickte Vermengung von persönlichen Idealen und musikalischem Stil ermächtigt, um danach von ihrem Publikum dafür gefeiert zu werden. Sie gaben in allem Ernst vor, die Welt retten zu wollen (und nicht nur „Unterhaltung“ zu produzieren). Einer, der es mit dem Weltverbesserungspathos und der Begeisterung ziemlich weit gebracht hat, soll hier unbedingt genannt werden: Seit Jahren und nicht erst seit den „Paradise Papers“ ist bekannt, dass U2-Sänger und Profi-Gutmensch Bono sein Geld in Steueroasen parkt (parken lässt). Ein Symbol, ein Menetekel. Und nicht nur die Stones setzen immer noch eine Abschiedstournee drauf, zu der dann die Tickets noch einmal teurer als bei der letzten Abschiedstournee werden. Sie dürfen das, gewiss. Sie sind ja die Urviecher der Rock'n'Roll. Sie sind wandelnde Mythen. Sie treiben ein Spiel mit den Figuren, die sie darstellen. („Gut, dass wir solche haben....“). Für viele der übrig gebliebenen Alten des Rockgeschäfts gilt es ja, ein Lebenswerk zu verwalten, alte „Erfolge“ noch einmal vorzuführen. Das Cover des eigenen Selbst sein. „Verdienste“ um die „Ehrlichkeit“ feiern (noch besser: "honorieren") zu lassen.
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