Walter Becker ist gestorben. Ich lege gleich morgens „Circus Money“ aus dem Jahre 2008 von Walter auf und bin sofort wieder eingesponnen in den Zauber dieser eigenwillig dahin fließenden Akkorde. Ist mit der damaligen Steely Dan-Mannschaft eingespielt: Keith Carlock, Drums, Jon Herrington, Gitarre. usw. Es hat Walter nix ausgemacht, einen Könner wie Herrington neben sich zu haben. Das war doch nie der Punkt! Der Beste zu sein? Darüber hätten die beiden gelacht. Ist das alles einfallsreich? Ja klar. Was denn sonst? Es gibt mir Nahrung. Meinem musikalischen Empfinden. Jedes Mal. Das ist das Tolle. Diese Scheiben nutzen sich nicht ab. Sind nachhaltig, - sozusagen. Wie geht das? Wer mag da am Gesang meckern? Vielleicht ist er sogar ideal für diesen Titel? Das habe ich unter anderem von Steely Dan gelernt: es gilt, die jeweils richtige Mischung für den jeweiligen Song zu finden, an Musikern, aber auch an musikalischen Möglichkeiten, weshalb den beiden wohl immer das gerade beste Equipment gut genug (oder nicht....?) war für ihre Sachen. Wie hat er Gitarre gespielt? Haha, nie wie ein Gitarrenheld! Sondern kurze knappe Chiffren heraus werfend, eine Art Kommentar, aber nie das klassische Gitarrensolo. Jazzig in der Phrasierung, vielleicht. Aber hauptsächlich knapp, spröde, reduziert..... - „Circus Money“ ist natürlich anders als all die anderen ständig noch erscheinenden Sachen Und das nie als Gag! Nie als bloße Pointe! Es hat seinen Sinn in diesem Sound! Er ist sehr eckig und kantig manchmal, manchmal aber auch das Gegenteil davon! Der Rhythmus ist sehr gleichmäßig wie bei einer Rhythmusmaschine und stolpert dann doch wieder seltsame Rhythmen. Wie typisch! Wie er die Gegensätze zusammen bringt! Ich höre ein wenig Reggae um die Ecke, lässig aufgenommen mit Off-Beats, um es desweiteren im Untergrund nebenher als Motiv weiter zu betreiben. In den folgenden Titel taucht das auch immer wieder auf. Es mischen sich gebrochene Akkorde ein, am E-Piano, Saxophon-Schnipsel und dieses dünne Stimmchen von Walter. Alles verhalten auf den Punkt gebracht. Sehr urban auch. Sehr New York! Und da gab es „Journalisten“, die behaupteten, das sei misslungen! Peinlich.
Er hat sicher die Tonspuren am Ende wieder reduziert, nachdem er viel zu viele aufgenommen hatte, womöglich auch als Versuch in Richtungen, in die es hätte gehen können mit seinem souveränen Masterplan. Ob das ein Widerspruch ist? Macht nichts. Solange er's zusammen bringt. So waren Steely Dan auch. Hatten am Ende ein riesiges Konvolut und reduzierten dann radikal. Schnitten, nahmen sogar neu auf. Ihre Perfektion hatten sie stets auf die Spitze getrieben – und bei „Gaucho“ vielleicht auch ein wenig darüber hinaus. Es blieben da mindestens aber immer noch diese wunderbaren Songeinfälle und die tollen Akkordverbindungen, die wie selbstverständlich einen Kosmos entwarfen, in dem es auch freaky Spinnereien gab. Am Ende mochte man genau das, war es einem wertvoll, spielte im Kopf weiter.....immer weiter....Ich erinnere mich an die Phantasien von Donald Fagen mit den Zukunftsvisionen der 50er Jahre. Zum Lachen. Aber damals ernst. Und anderes seltsames, mittlerweile surreales Zeugs. Wer von den beiden hat eigentlich die Texte für Steely Dan geschrieben? Ich kann mich an kein Interview erinnern, in dem sie das verraten hätten. Es ist ja auch ihr gemeinsames Ding! Da läuft vieles zusammen, von zwei Individuen.....wie das passierte, könnte ihr Geheimnis bleiben......Walter ist gestorben und viele haben es anfangs für ein Gerücht der Ironie gehalten. Typisch! So war er. Alles als einen Joke aufgefasst. Das hat sich am Ende auf ihn selbst und seine Existenz übertragen, hat aber etwas geradezu Kosmisches. Hey Walter, du sinistrer zweifelhafter Typ hinter der dunklen Sonnenbrille und mit dem langen, fatzenglatten Haar! Es gäbe ein paar Leute, die bräuchten dich! Mach weiter!
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